Mitgliederversammlung in Wittingen 2018
Ein Bericht von Rüdiger Hagen
Das diesjährige Herbsttreffen der Müllergilde fand am 17. November 2018 an der Müllerschule in Wittingen (Niedersachsen) statt. Der Standort Wittingen ist neben Stuttgart eine der beiden Müllerschulen in Deutschland und gehört zu den Berufsbildenden Schulen des Landkreises Gifhorn. Einen besseren Ort hätte man für das Treffen der Müllergilde kaum wählen können, denn hier ließen sich traditionelle und moderne Aspekte der Müllerei in Fachgesprächen und an Objektbeispielen wunderbar verbinden.
Kurz nach 10 Uhr eröffnete Versammlungsleiter Philipp Oppermann die Tagung, die mit einer Gedenkminute für das am 12. September verstorbene Müllergilde-Mitglied Heiko Dahnken (Mühle Dörverden) begann, und führte anschließend zügig und unkompliziert durch die einzelnen Tagesordnungspunkte. Es war an der Teilnehmerzahl festzustellen, dass sich die Mitgliederzahl des Vereins innerhalb eines Jahres deutlich vergrößert hat. Es waren Mitglieder aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen anwesend.
Die Müllerschule wurde durch die Herren Jens Kersten, Thomas Becker und Hubertus Nitzschke vertreten. Es war eine bunte Mischung aus beruflich tätigen Handwerksmüllerinnen und Handwerksmüllern sowie einer beachtenswerten Zahl auf ehrenamtlicher Basis tätiger „Müllerinnen und Müller“ bzw. Mühlenbetreiber anwesend.
Müllermeister Eckhard Meyer stellte die gegenwärtigen Projekte des Vereins anschaulich dar. Die Bewerbung für den Titel des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO ist bislang bei allen zuständigen Entscheidungsträgern auf positives Echo gestoßen. So sind wir zuversichtlich, dass im nächsten Jahr eine Entscheidung zu Gunsten des traditionellen Müllerhandwerks fallen wird.
Eine breite Diskussion tat sich auf zum Thema Aus- und Weiterbildung von Handwerksmüllern, sowohl auf professioneller als auch auf semiprofessioneller (ehrenamtlicher) Basis. Eckhard Meyer stellte verschiedene Wege vor, die u. a. in Zusammenarbeit mit den Handwerkskammern beschritten werden könnten. Ziel dabei ist, dass im professionellen Bereich wieder der handwerkliche Müllerberuf erlernt werden kann, der auch den dann wieder offiziell anerkannten Titel „Müller“ tragen soll.
Für ehrenamtliche Mühlenbetreiber („Hobbymüller“ oder auch „Freiwillige Müller“) soll auf der semiprofessionellen Ebene ein Ausbildungsmodul erarbeitet und angeboten werden, das die Lehrgangsteilnehmer im Interesse einer nachhaltigen, denkmalgerechten Mühlenerhaltung befähigt, die von ihnen betreute Wind-, Wasser- oder Motormühle sachkundig als „produzierendes technisches Denkmal“ zu betreiben, lebensmittelfähige Mehle und Schrote herzustellen und diese auch an Besucher abzugeben bzw. zu vermarkten.
Müllermeister Thomas Kleinschmidt von der Brücker Mühle in Amöneburg berichtete kurz über die für die Müllergilde wichtigen Themen auf der Vorstandssitzung der DGM im Oktober dieses Jahres. Über das Projekt „Mehl 2020“ der Wiesenmühle in Kettenheim wurde kurz von Müllerei- und Mühlenbautechniker Rüdiger Hagen berichtet, da der Eigentümer der Mühle, Thierry Mathis, beruflich verhindert war. Es ist zunächst der Bau einer kleinen Mühle mit historischen Müllereimaschinen in einem neuen Gebäude neben der alten Wassermühle geplant, um erst einmal die Produktion aufnehmen zu können. Über die spätere Restaurierung der Wassermühle müssen noch einige Beratungen stattfinden.
Am Ende des theoretischen Teils stellte Gerald Bost von der Britzer Mühle in Berlin das 2019 in Berlin stattfindende Symposium der TIMS kurz vor und bat um eine rege Teilnahme am so genannten „Open Day“ am 18. August in der URANIA in Berlin. Die Registrierung dafür müssen die Interessierten ab Mitte Dezember 2018 selbst vornehmen.
Nach einem zünftigen Mittagessen konnten unter Führung von Thomas Becker und Hubertus Nitzschke die Räumlichkeiten, die Versuchsmühle und die Laboreinrichtungen der Müllerschule kennengelernt werden. Einigen von uns waren die Einrichtungen ja bekannt, für andere waren sie interessantes Neuland. Wir konnten selbst einige Dinge ausprobieren, etwa einen von Hubertus Nitzschke geleiteten Roggenmahlversuch praktisch mit begleiten oder eine Probeschälung von Gerste mit Dennis Berger.
Als besonders positiv wurde wahrgenommen, dass seitens der Versammlungsleitung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten ausreichend Zeit für fachliche Gespräche und Diskussionen eingeräumt wurde und dass es eine konstruktive, sachkundige und freundschaftliche „Diskussionskultur“ gab.
Ein wirklich schöner, kurzweiliger Tag, der gerne noch länger hätte gehen dürfen. Aber viele Teilnehmer hatten lange Heimwege vor sich, die die bundesweite Präsenz des jungen Vereins verdeutlichen.