Mitgliederversammlung am 30. Oktober 2022 in Labbus
Text: Rüdiger Hagen
Bilder: Philipp Oppermann
Nach einer coronabedingten Pause von drei Jahren fand am Sonntag, den 30. Oktober 2022 wieder eine Mitgliederversammlung in Präsenz der Müllergilde statt. Als Tagungsort war die Windmühle Labbus in Sulingen (Landkreis Diepholz in Niedersachsen) ausgewählt worden.
So trafen am Vormittag bei bestem Wetter fast 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ein. Vom Vorstand waren Eckhard Meyer, Philipp Oppermann und Torsten Rüdinger anwesend.
Die Formalitäten wie Begrüßung, Vorstandsbericht, Wahl eines Versammlungsleiters, Genehmigungen von Tagesordnung und Protokoll, Kassenbericht und Haushaltsplan sowie Bericht der Kassenprüfer und auch die Vorstandswahlen konnten zügig abgehandelt werden.
Es schlossen sich danach zwei aktuelle Themen an, die auf Grund ihrer Bedeutung ausführlich vorgestellt und beraten worden sind: Die Nutzung der Anerkennung des Immateriellen Kulturerbes und das Ausbildungsprojekt „Mahlmüller“.
Bezüglich des ersten Themas gab es bereits im Vorfeld Diskussionen, welche Mühlen den Titel Immaterielles Kulturerbe führen dürfen, da eine regelmäßige Herstellung von verkehrsfähigen Mahlprodukten eine Hauptbedingung für die Nutzung der Anerkennung ist, die Regelmäßigkeit aber unterschiedlich ausgelegt werden kann. Eckhard Meyer legte noch einmal die Nutzungsbedingungen dar und verwies darauf, dass man im Vorstand über eine jährliche Mindest-Herstellungsmenge von Mühlenprodukten diskutiert habe, worauf man sich nun auf die Menge von 1 Tonne geeinigt habe. Weiterhin war von einzelnen Mitgliedern schon vor geraumer Zeit die Frage gestellt worden, ob nicht auch handwerklich betriebene Motormühlen die Anerkennung führen dürften. Daher hat der Vorstand der Müllergilde zwischenzeitlich einen Antrag an die Deutsche Unesco-Kommission gestellt, Handwerksmüllerei in Motormühlen ebenfalls in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufzunehmen, die Nutzungsmöglichkeit also zu erweitern. Zum Zeitpunkt der Versammlung lag noch keine Antwort vor, es sei jedoch laut Vorstand mit einem positiven Ergebnis zu rechnen. Damit sei dann auch das Thema vom Tisch, dass eine Wind- oder Wassermühle, wenn sie durch Windmangel oder Wasserentziehung zeitweise oder gänzlich nicht mehr mit der Naturkraft arbeiten könne und auf den Motorantrieb angewiesen ist, die Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe verlieren könnte. Hierzu gab es aus aktuellem Anlass einen Beitrag von Rüdiger Hagen über den Betrieb der von ihm betreuten Windmühle „Paula“ in Steinhude. Durch zunehmende Bebauung und Bepflanzung des Umfeldes werde ein Windbetrieb der Mühle immer mehr eingeschränkt und Windverwirbelungen haben bereits zu Schäden an der Mechanik der Windrose geführt. Die Müllergilde will Wind- oder Wassermüller bei solchen Problemen in der Zukunft im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.
Das zweite Thema, die Ausbildung zum „Mahlmüller“, wurde bereits auf der Mitgliederversammlung 2019 in Goslar diskutiert. Die damalige Meinung der Versammlung war, zunächst ein Pilotprojekt durchzuführen, aus dessen Erkenntnissen dann ein konkretes Ausbildungskonzept erarbeitet und angeboten werden kann. Bereits im Frühjahr 2020 konnte damit unter Leitung von Rüdiger Hagen an der Windmühle in Steinhude begonnen werden. Die meisten Unterrichtseinheiten fanden dort und später auch an der Windmühle in Labbus statt, weiterhin auch an der Windmühle von Eckhard Meyer in Bardowick.
Mit dem Tag der Mitgliederversammlung konnte nun nach erfolgter Prüfung am 9. Oktober und 29. Oktober 2022 das Pilotprojekt abgeschlossen werden. Teilgenommen an der Prüfung haben Aileen Hansing von der Windmühle in Labbus und Fred Wegener von der Windmühle in Steinhude. Beide haben mit gutem Ergebnis bestanden, wie Eckhard Meyer zufrieden erklärte. Er und Dennis Berger hatten an zwei Tagen die Prüfung abgenommen, die am ersten Tag in Steinhude aus der Herstellung eines Weizenmehles Type 1050 mit Walzenstuhl und Ascania-Sichter sowie der theoretischen Prüfung mit der Beantwortung schriftlicher Fragen, am zweiten Tag in Labbus aus der Herstellung verschiedener Schrote mit dem Mahlgang und der Bewertung von Getreideproben bestand. Eine Hausarbeit mit dem Thema „Erstellung eines kleinen HACCP-Konzeptes für die Windmühle in Labbus“ floss ebenso in den Bewertungsschlüssel ein, der an jenen der Gesellenprüfung an der Müllerschule in Wittingen angelehnt war.
Zur Diskussion stand danach der Titel, den das im Anschluss vom Vorstand der Müllergilde noch zu erstellende Zertifikat für beide Prüflinge tragen soll. Es kristallisierte sich aus der Versammlung heraus, dass man die Ausbildung zwar klar von der Berufsmüller-Ausbildung abgrenzen muss, jedoch auch von sogenannten Hobbymüller- oder Freiwilligen Müllerkursen, die eher auf das Bewegen einer Mühle im Leerlauf oder ausschließlich zu Schauzwecken abzielen. Deshalb einigten sich Vorstand und Versammlung auf den Titel „Traditioneller Mahlmüller“ mit Zertifizierung durch die Müllergilde. In einer späteren kleinen Feierstunde sollen den beiden Prüflingen dann pressewirksam ihre Zertifikate übergeben werden. Gerald Bost von der TIMS und der Britzer Mühle überreichte den Beiden nach der Versammlung jeweils ein Exemplar der Transactions des TIMS-Symposiums 2019 in Berlin.
Im Anschluss stellte Aileen Hansing in einer Präsentation ihre Labbuser Windmühle vor und auch das Konzept, mit der die Mühle nun nach Abschluss der von 2020 bis 2022 erfolgten Restaurierungsarbeiten wieder in Betrieb genommen wird. In Vereinsregie soll die Mühle künftig wieder mahlen, wobei auch die Herstellung von speziellen Schroten für die Whisky- Herstellung einer benachbarten Traditionsfirma im Focus stehen wird. Die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer konnten sich bei einer anschließenden Besichtigung der Mühle selbst davon überzeugen, auch wenn der Wind zum Antrieb leider fehlte.
Alles in Allem war es eine gelungene Versammlung, in der die verschiedenen Themen sachlich, konstruktiv und zielführend bearbeitet wurden. Die vielen Gespräche unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern teilweise bis in die späten Nachmittagsstunden bestätigten Dies.